23.05.2014

Warum wir nicht tun, was wir tun sollten

Ich war gestern bei einem Vortrag von Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth über Umwelt-Neurologie: warum wir nicht tun, was wir tun sollten. das ganze wurde organisiert von der Umwelt-Akademie und fand im Neuen Rathaus München statt. Also hatte ich gute Gründe mir das anzuhören. Denn wie die meisten Menschen weiß ich nicht besonders viel über mein wichtigstes Werkzeug, das Gehirn, aber eines weiß ich: es belohnt mich mit Endorphinen, wenn ich etwas lerne. Und im Münchner Rathaus war ich glaub ich eh noch nie. Ist schön da.



Unser Gehirn: eine Torte mit extra Sahne obendrauf

Und um unser Hirn ging es in dem Vortrag. Es besteht aus mehreren Schichten, die ganz grob dem Verlauf der Evolution folgen und nach oben hin eine Verfeinerung in der Denkfähigkeit und der sozialen bzw. moralischen Kompetenz ermöglichen.

Stark vereinfacht gibt es "ganz unten" einen Teil, der sich um grundlegende Dinge wie die Atmung und Reflexe kümmert. Darüber einen Teil, der dafür sorgt, dass es uns selbst gut geht, gefolgt von einem, der ein Auge auf unsere Verwandten und engen Freunde hat und darüber schließlich ganz viel Dekoration, in der alle anderen Regeln und Informationen stecken. Und alle Schichten helfen zusammen, wenn man z.B. entschieden soll, ob es sinnvoll ist, Bananen zu kaufen.

Schauen wir uns mal die Argumente in aufsteigender Reihenfolge an:
- ich hab Hunger, also kauf ich was zu essen.
- ich hab schon öfter Bananen gegessen, sie waren lecker und wer weiß, ob mir Birnen auch so gut schmecken würden. Also kauf ich die jetzt auch wieder.
- ich sehe keinen, dem ich durch diesen Kauf schade, keiner meiner Mitbewohner ist auf Bananen allergisch oder hält mir einen Vortrag darüber wie schädlich das für die Umwelt ist. Und selbst wenn esse ich sie einfach bevor ich zuhause ankomme.
- das sind Bio-Bananen, also tue ich der Umwelt damit etwas Gutes. Ich kaufe die Bananen und bin dann nicht nur satt sondern auch ein guter Mensch.
- die Bananen müssen Tausende von Kilometern von der Plantage auf ein Schiff bis nach Deutschland und in Lastwägen in den Supermarkt gebracht werden. Der Bodenseeapfel, den ich als Alternative habe, verursacht weniger Treibstoffverbrauch und hat auch ansonsten wahrscheinlich weniger negativen Einfluss auf die Umwelt und die Bedingungen der Menschen, die sich um den Anbau kümmern (müssen). Also kaufe ich keine Bananen. Ich kaufe keine Bananen, sondern die Äpfel.
- durch den Kauf der Bananen würde ich ein System unterstützen, dass auf lange Sicht nicht nachhaltig ist. Dadurch nehme ich mir vielleicht die Möglichkeit auch in vielen Jahren noch zwischen Bananen und Äpfeln wählen zu können und im schlimmsten Fall kommt es dazu, dass das Auswirkungen auf das komplette System hat und die Zukunft insgesamt weniger lebenswert ist. Ich kaufe keine Bananen, sondern pflücke einen Apfel aus meinem Garten. Wenn da kein Apfelbaum steht, pflanze ich einen.
- Ich habe viel zu wenig Informationen darüber, was mein Bananenkauf oder die Pflanzung eines Apfelbaums bewirken würde, ich ignoriere also den Hunger und recherchiere erstmal, was am sinnvollsten ist.

Und? An welcher Stelle seid ihr ausgestiegen? Oder habt ihr vielleicht sogar noch weiter gedacht? Für unser Hirn kann jede der oben genannten Antworten richtig sein, aber je weniger es nachdenken muss, desto wohler fühlt es sich. Und dass wir danach ein schlechtes Gewissen haben, ändert nicht viel daran, wie wir uns beim nächsten Mal entscheiden. Wer mit dem Rauchen aufhören oder mit dem Sport anfangen will, kennt das Problem. Die Einsicht und der gute Wille sind da, aber die niederen Bereiche des Gehirns setzen sich in der Regel trotzdem durch.


Wie man einen Menschen ändert und wie man eine Gesellschaft ändert

In der Diskussion nach dem Vortrag hat Herr Roth drei Möglichkeiten genannt, wie sich die Verhaltensweise eines Menschen ändern lässt, der nicht geradezu gruselig rational handelt:
1. Gehirnwäsche. Dabei geht aber auch die Persönlichkeit dieses Menschen flöten. Wir schließen das also aus.
2. Traumatisches Erlebnis, vor allem in der Kindheit. Wenn man da eine Banane erwischt, von der man tagelang krank war, mag man danach keine mehr. Dabei bestimmen die ersten 3 Jahre 80 % unserer Persönlichkeit. Aber legt mich nicht auf die genauen Zahlen fest.
3. Unermüdliche, liebevolle Erziehung. Wenn man immer jemanden dabei hat, der einen lieb darum bittet keine Bananen zu kaufen weil das schlecht ist für die Umwelt, dann wird man irgendwann von sich aus darauf verzichten. Man hat ein neues Verhalten gelernt und es ist zur Gewohnheit geworden. Das Schöne daran: das Gehirn verteilt Belohnungen für Gewohnheiten. Das muss nichts Aufregendes sein, es genügt wenn man jeden Tag das gleiche tut. Mir ist dabei 'Abdul Baha' eingefallen, der hat das fast sein ganzes Leben lang so gemacht.

Außerdem gilt bei Schmerz und Freude ein Verhältnis von zwei zu eins. Du ärgerst dich doppelt so sehr darüber, dass du keine Bananen mehr essen darfst wie du dich darüber freust, dass du jetzt Äpfel essen darfst. Das bedeutet zum Beispiel für jemanden, der nicht will, dass Bananen gegessen werden, dass er Obst anbieten muss, das mindestens genauso lecker ist aber nur halb so teuer. Oder er muss zwei neue Obstsorten zur Verfügung stellen, die es vorher nicht gab. Und am besten er ist selbst das beste Vorbild, warum man dadurch klüger, attraktiver und stärker wird. 

Wenn man viele Menschen auf einen Schlag ändern will, gibt es dafür auch eine Möglichkeit. Man muss nur ein paar Anreize bilden, die ziehen und dann einen langen Atem haben. Egal ob es dabei ums Energiesparen, Mit-dem-Rauchen-Aufhören, Sporttreiben oder Zu-anderen-nett-sein geht: man sollte sich darauf einstellen, dass es an die 20 oder 30 Jahre dauern kann, dass das von alleine funktioniert, denn Anreize nutzen sich mit der Zeit ab.
ODER man ist ein Diktator und versetzt sein Volk in Angst und Schrecken, dann macht es auch was man will. Allerdings hat das viele unerwünschte Nebeneffekte. Man könnte zum Beispiel einem Attentat zum Opfer fallen oder den Ruf seines Landes ruinieren. Lasst das mal besser bleiben ...

Am besten funktioniert es, wenn man bei der Erziehung ansetzt. Schaut mich an, ich wurde durch das Lesen von J.R.R. Tolkien, Douglas Adams und Michael Ende sozialisiert. Gott sei Dank ^__^



Was lernen wir daraus? Sapere aude, mach gute Menschen aus (deinen) Kindern, fang möglichst früh mit dem Anfangen / Aufhören an, üb dich in Geduld und scheu nicht davor zurück deine niederen Instinkte mit Belohnungen zu bestechen.

Und Finger weg von Rauschmitteln, denn die bringen deinen Belohnungsmechanismus völlig durcheinander. 

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