14.05.2014

Geplante Obsoleszenz

Achtung! Das hier wird ein langer Text. Wer Angst davor hat, für den gibt es hier die Kurzfassung:
1. Keine Verschwörungstheorie sondern einfach systemimmanent
2. Es ist Deins, Du kannst damit machen was Du willst
3. Wenn es funktioniert, brauchst Du kein neues


Das nächste große Ding, von dem man 2014 noch viel hören wird?
Geplante Obsoleszenz, bzw. die gerechte Empörung dagegen.
Und was soll das sein?
Vereinfacht gesagt ist geplante Obsoleszenz das Phänomen, dass Sachen, die man kauft, nicht so lange verwendet werden, wie sie verwendet werden könnten, weil
a) absichtlich billige Bauteile verwendet wurden und einem das Ding um die Ohren fliegt
b) irgendjemand absichtlich oder unabsichtlich beim Zusammenbauen geschludert hat und einem das Ding um die Ohren fliegt
c) das Ding nach einem Jahr total uncool ist
d) es noch gut wäre, aber nicht mehr verwendet werden darf
e) der Defekt einer Komponente zum Totalausfall führt.

Klingt kompliziert? Ist es auch. Oder auch nicht.


Murks? Nein Danke! Infotainment? Ja bitte!

Ich war gestern in den Räumen der Schweisfurt-Stiftung am Schloss Nymphenburg in München und hab mir einen Vortrag von Stefan Schridde von "Murks? Nein Danke!" zu diesem Thema angehört. Da ich mich vorher nicht weiter mit dem Thema beschäftigt habe, hatte ich halb darauf gehofft, dass ich einen waschechten Verschwörungstheoretiker zu hören bekomme, der ex cathedra Feuer und Schwefel über Monopolisten und Kartelle herabregnen lässt.
Also in der Hinsicht wurde ich enttäuscht, das macht aber nichts. Denn Herr Schridde ist ein Mann mit einer Mission. Und als Redner hat er es echt drauf. Er ist mit Begeisterung bei der Sache, kann auf den Tisch hauen (wofür es dann auch prompt Szenenapplaus gab), bleibt aber fair und diskussionsbereit. Man nimmt ihm ab, dass er Lösungen will und keine Streitereien. Alles in allem war es ein sehr informativer und unterhaltsamer Abend.


Der Teufelskreislauf und der Wandel der Gesellschaft

Egal was man vom Thema geplante Obsoleszenz, vorzeitiger Verschleiß oder Murks hält, es gibt einiges am Lebensstil der Westlichen Welt, was beendet werden muss, damit nicht der Lebensstil der Westlichen Welt beendet wird. Grob vereinfacht sieht es nämlich so aus: Wir holen Rohstoffe z.B. aus Afrika und ruinieren dabei die Umwelt. Dann lassen wir diese Rohstoffe in Billiglohnländern verarbeiten und ruinieren dabei die Umwelt + die Löhne dieses Landes + die Gesundheit der Arbeiter. Dann lassen wir uns die Handys, T-Shirts und Spielzeuge nach Hause liefern und ruinieren dabei unsere eigenen Kleinbetriebe. Dann schmeißen wir das ganze Zeug weg und laden den Schrott z.B. in Afrika ab, womit wir noch ein paar weitere Lebensräume kaputt machen.
Selbst wenn wir im Einzelnen alles richtig machen, machen wir es im Großen und Ganzen gründlich falsch. Aber dann kommt noch dazu, dass die Wirtschaft nicht ganz so funktioniert, wie wir uns das vorstellen.

Kennt ihr noch diesen Spruch, dass ein mündiger Verbraucher mit seinem Konsumverhalten bestimmen kann, wie die Wirtschaft tickt? Kann schon sein, aber große Teile der Wirtschaft wissen das gar nicht mehr. Stefan Schridde hat es mit folgendem Vergleich veranschaulicht: Die Firmen sind Boxer in einem Ring, die sich 80% Gedanken über ihren Gegner 19 % Gedanken über ihre Sponsoren, Promoter und Trainer und vielleicht 1 % Gedanken um die Zuschauer machen, ohne die der Kampf gar nicht stattfinden würde. Und die Zuschauer bekommen nichts davon mit, dass sich keiner für sie interessiert. Und stattdessen Schach anschauen geht auch nicht, das ist nur langweiliger, nicht kundenfreundlicher.

Gleich noch ein anderer Gedanke, der den Blick ein wenig weitet: Vor 20 oder 30 Jahren war cool, wer sich teure Sachen gekauft und so lange gepflegt hat, bis sie völlig abgenutzt waren. Es war die Zeit der durchgelatschten Chucks mit der 3. neuen Sohle, abgewetzten Jeans & Lederjacken, Autos, die jeden Sonntag gewaschen wurden, geerbten Uhren und Möbeln, die nur gut waren, wenn sie vom Flohmarkt stammten.
Und heute? Heute ist der cool, der sich alle 6 Monate das neueste Handy kauft.
Was soll das heißen? Waren wir gestern spießig und knauserig, während wir heute verschwenderisch sind? Nein, damals wie heute wollen wir unsere Grundbedürfnisse befriedigen, zeigen, dass wir uns auskennen und möglichst viel für unser Geld bekommen. Aber die Umstände haben sich geändert.


Ein paar Beispiele

Ein Beispiel: Ganz früher gab es Zahnbürsten. Dann irgendwann hat man einen batteriebetriebenen Motor eingebaut. Man kann sich darüber streiten, ob das ein Schritt in die richtige Richtung war, aber meinetwegen, für den, der sich keinen Vibrator in die Wohnung stellen will, ist so eine elektrische Zahnbürste eine feine Sache. Aber dann hat man allgemein erkannt, dass Batterien die Umwelt belasten und wiederaufladbare Akkus viel viel besser sind. Und weil man die ja wieder aufladen kann, muss man sie auch nicht herausnehmen. Also baut man sie gleich fest ein. Blöd nur, dass so ein Akku mal den Geist aufgibt. Und wenn der kaputt ist, dann funktioniert auch die Zahnbürste nicht mehr.

Überhaupt fest einbauen: Es gibt so viel, was man irgendwo einkleben, anschweißen oder vernieten kann. Das macht auch bestimmt mehr Spaß als immer nur zu Zeug zusammenzuschrauben. Bis zu einem gewissen Grad ist es auch gut, dass die Kunden nicht alles zerlegen können, aber ich bin bestimmt nicht der Einzige, der schon mal was abgebrochen oder verbogen hat, weil nicht offensichtlich war, wie man ein Gehäuse aufbekommt. Manche scheitern ja schon am Batterifach.

Beispiel 2: Glühbirnen. Jaja, leider haben diese Öfen, die nebenbei auch noch Licht abgeben, eine Lebensdauer, die knapp über der eines Grablichts liegt. Warum eigentlich? Müsste inzwischen nicht irgendein schlauer Kopf dahintergekommen sein, wie die Dinger länger brennen können? Man müsste so was erfinden wie eine Diode, die mit Kristallen Licht abgibt - Moment, so was gibt es seit den 60ern und nennt sich LED ...
Aber auch gewöhnliche Glühbirnen könnten um einiges länger durchhalten, wenn man den Experten Glauben schenken darf.

Beispiele gibt es viele, wo man die Lebensdauern durch ein wenig Nachdenken oder geringfügig teurere Bauteile um ein paar Jahre verlängern könnte. Man findet sich auf diversen Websiten, Foren und Videoportalen.


Und was lernen wir daraus?

Im Einzelnen kann man davon halten, was man will, aber man sollte sich schon mal fragen, wie wir in die paradoxe Situation kommen konnten, dass es völlig normal ist Dinge wegzuwerfen, die in Ordnung sind. Zum Beispiel Toastbrot-Enden. Toastbrote haben herstellungsbedingt nun mal Enden (Scherzel). Aber versuch doch mal in einem Supermarkt ein Sandwich mit so einem Endstück zu kaufen. Geht nicht. Die gibt's nämlich nicht, weil die Enden vorher entsorgt werden.
Von Mode oder Tageszeitungen will ich ja gar nicht anfangen, da ist die Obsoleszenz Prinzip, aber man muss sich nur mal einen Tag lang auf einen Wertstoffhof stellen, um einen kompletten Hausstand zusammenzubekommen.

Ja mei, das ist halt so. Aber muss es so sein? Könnte man nicht in einer Gesellschaft leben, in der Gegenstände modular und zerlegbar produziert werden. Dann kann man die Einzelteile, wenn man sie schon nicht in einem anderen Gerät wieder verwendet, wenigstens relativ einfach recyclen. Oder nicht?
Ich hab da keinen Durchblick, Du vielleicht auch nicht, aber wenn wir es schaffen Rohstoffe aus Afrika nach Asien zu schicken um sie dort für den deutschen Markt zu verarbeiten und den Müll dann zurück nach Afrika zu verfrachten, dann kann das doch auch nicht schwerer sein.

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