15.04.2008

Kaltblütig

Ein nicht-fiktionaler Roman von Truman Capote

Aus dem Englischen von Kurt Heinrich Hansen

Dieses Buch wird mir noch eine Weile im Gedächtnis bleiben. Nicht weil die Sprache sonderlich beeindruckend wäre (was nicht die Schuld des Übersetzers ist) und auch nicht weil in ihm eine einmalige Geschichte erzählt wird.

Aber erstens ist "Kaltblütig" wohl das erste Exemplar eines neuen Genres in dem reale Ereignisse auf eine journalistische Art und Weise in den Vordergrund gerückt werden und zweitens hat das Ganze die Frage nach dem Sinn aufgeworfen. Ob es einen Sinn macht, ein jahrelang aufwändig recherchiertes Buch über ein Verbrechen zu schreiben, das im Grunde ohne Motiv war.

Richard "Dick" Hickock und Perry Smith sind kleine Kriminelle, die gerade mal wieder gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen und im Jahr 1959 beschließen den wohlhabenden Farmer Herbert Clutter zu überfallen, um seinen Save auszuräumen - und danach alle anwesenden Zeugen verschwinden zu lassen. Aber es gibt keinen Save und ihre ganze Beute ist schließlich ein Kofferradio, ein Fernglas und 40 Dollar. Sie töten dafür das Ehepaar Clutter und die beiden Kinder mit Schüssen in den Kopf.

Das Buch lässt sich Zeit bis zu diesen blutigen Details vorzudringen, denn es leuchtet die Hintergrundgeschichten nahezu aller beteiligten Personen sorgsam aus, teilweise aus der Sicht dieser Personen.

Wenn etwas dadurch klar (was sich bezweifeln lässt) wird ist, dass hier ganz normale Menschen handeln. Auch die Mörder sind nicht verrückt. Sie empfinden zwar nichts bei ihren Verbrechen, aber sie wissen im Grunde was sie tun. Sie wissen nur nicht, warum.
Einer von ihnen sagt etwa: "Ich hielt Mr. Clutter für einen netten Menschen, dem ich keinesfalls etwas antun wollte. Das glaubte ich so lange, bis ich ihm die Kehle durchschnitt."

Man verfolgt ihren Weg nach Mexiko und wieder zurück in die vereinigten Staaten, wo sie sich mit Scheckbetrug durchschlagen, aber bei allem was sie tun letztlich immer scheitern. Sie magern zunehmend ab und werden schließlich verhaftet.

Danach die Verhandlung, ihre Verurteilung zum Tod am Strang, die Wiederaufnahme der Verhandlung und ihre Hinrichtung in einem schäbigen Raum voller Holzabfälle und kaltem Mief.

Bei mir bleibt ein großes Fragezeichen. Vielleicht lebe ich einfach in der falschen Zeit und bin zu abgestumpft, aber die Geschichte sagt mir nichts Neues. Das Verbrechen erscheint wie ein Unfall im Ablauf des menschlichen Zusammenlebens, der sich nicht verhindern lässt, weil zu viele kleine Dinge zusammenkommen, bis schließlich irgendwo bei irgendwem die Sicherungen rausknallen.

Und trotz aller Breite verweilt das Buch die meiste Zeit bei den beiden Verbrechern, deren utopische Pläne in mir nichts ansprechen. Die Auswirkungen der Tat auf die Gemeinde, in der sie passierte, kommen dabei vergleichsweise kurz weg. Türen werden plötzlich verschlossen, der Eisenwarenladen kommt nicht mehr mit der Nachbestellung von Schlössern nach und Misstrauen breitet sich aus.

Nur ganz kurz kommt Capote wieder auf den Alltag nach der Urteilsvollstreckung zu sprechen und dieser Alltag unterscheidet sich nicht von dem vor der Tat.

Wenn ihr was erhellendes zu dem Buch beitragen könnt, lasst es mich bitte wissen, ich bin ziemlich ratlos.

1 Kommentar:

  1. Erhellend? Ob es das ist, weiß ich nicht, ich habe die letzten Tage aber auch das Buch besprochen:
    http://oliblog.blogg.de/eintrag.php?id=1684
    sowie darüber hinaus die beiden Verfilmungen:
    http://oliblog.blogg.de/eintrag.php?id=1685

    Vielleicht ist die andere Perspektive ja auch interessant für Dich.

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