23.01.2008

Sachen, die Ihr einfach nicht falsch machen könnt 3: Mit dem Anfang das Ende verraten

Waaas? Das Ende verraten? Wenn man das bei Harry Potter macht, dann wird man dafür an einen Besen gebunden und an einen Drachen verfüttert oder zumindest verklagt, dass einem Hören und Sehen vergeht, was wahrscheinlich noch schlimmer ist. Aber manchmal ist es eine gute Idee das Ende dezent anzudeuten.

Nehmen wir zum Beispiel "Pater Matthias" von Herrmann Hesse, eine kurze Geschichte über den Wendepunkt im Leben eines Klosterbruders, der sich wieder der Welt zuwendet. Die Handlung läuft an, als Matthias losgeschickt wird, um Geld für das Kloster zu sammeln. Super für ihn, da kommt er endlich mal wieder raus, kann sich des Ornats entledigen und weltlichen Genüssen frönen. Kaum aus dem Kloster trifft er auf eine Eskorte von Polizisten, die einen Gefangenen abführen.

So und jetzt aufgepasst, denn um genau diese Szene geht es: Matthias sieht den Gefangenen und stellt sich vor, wie sich dieser fühlt. Dass er vielleicht den Priester sieht und sich wünscht frei zu sein, dass er als Gefangener aber in Wirklichkeit besser dran ist. Der Gefangene wird seine Strafe irgendwann abgesessen haben und frei sein, der Priester, der seine Gelübde abgelegt hat, hingegen niemals.

Auf den ersten Blick sieht das aus wie ein Mittel, um den Pater zu charakterisieren und klar zu machen, wie sehr er die Nase voll hat vom Mönchsdasein und es würde auch gar nicht weiter auffallen, wenn das die einzige Funktion dieser Begegnung wäre. Aber Hesse hat was vom Schreiben verstanden und so ist es eben nicht nur ein Charakterisierungs-Kniff.

So kommt es wie es kommen muss: Matthias bekommt einen Batzen Geld zusammen, betrinkt sich "verkleidet" als Laie mit Fremden, die ihn bestehlen und beschließt daraufhin seinem Doppelleben ein Ende zu bereiten. Er beichtet alles, landet vor einem weltlichen Gericht und muss eine Gefängnisstrafe absitzen.

Als Gefangener wirft er einen letzten Blick zum Kloster hinüber und macht sich seine abschließenden Gedanken zu der ganzen Sache.

In diesem Fall ist der Verweis auf das Ende der Geschichte auch noch eine Spiegelung (Priester / Gefangener - Gefangener / Kloster), was nochmal zusätzlich Punkte in der B-Note bringt.

Aber auch so machen solche Hinweise Spass, weil sie dem Leser einen Aha-Effekt vermitteln. Man sollte das natürlich nicht mit dem Holzhammer machen - der Leser ist ja nicht blöd und wenn doch, dann ist er selber schuld - aber im Prinzip kann dabei nichts schief gehen und man kann diese Methode wunderbar variieren, um mit den Erwartungen des Lesers zu spielen und ihn an der Nase herumzuführen.

Es gibt viele Beispiele in denen der erste Satz oder eine scheinbar zufällige Begegnung einen Hinweis auf den Ausgang der Handlung gibt.

Ihr könnt das Ende also ruhig mal verraten ohne dass euch danach ein Drache frisst...

Ach ja! Harry stirbt übrigends. Kommt danach aber wieder zurück und ist plötzlich alt und Vater. Verwirrende Sache...

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