17.08.2007

House of leaves

Das Haus. House of Leaves

Mein letzter Blogeintrag ist schon eine Weile her und Schuld daran ist House of Leaves von Mark Z. Danielewski. Es ist das erste Buch seit langem, das ich mir ohne großes Warten oder Rumüberlegen gekauft habe und nach knapp einer Woche, knapp hinter der 500-Seiten-Marke habe ich meine Entscheidung alles andere als bereut. Das Buch ist das beste, was ich seit langem gelesen habe.

Die Story an sich ist einigermaßen unspektakulär: Navidson, ein gefeierter Fotograf zieht mit seiner Lebenspartnerin und den beiden Kindern in ein nettes Häuschen. Er installiert überall Videokameras, um festzuhalten, wie sich Menschen einen neuen Ort aneignen. Nach einem kurzen Urlaub stellen die beiden fest, dass zwischen ihrem Schlafzimmer und dem ihrer Kinder ein Durchgang zu einem weiteren Raum aufgetaucht ist, der vorher nicht da war. Das macht Navidson natürlich neugierig und er beginnt sich Grundrisspläne zu besorgen und nachzumessen. Es stellt sich heraus, dass das Haus innen einen Viertelzoll länger ist als außen. Er zieht Fachleute mit besserem Equipment hinzu, aber die Differenz bleibt. Außerdem tut sich im Wohnzimmer eine Tür auf, die eigentlich in den Garten führen müsste. Aber dahinter ist ein langer, aschschwarzer Gang in dem nur Dunkelheit und Kälte herrscht. Five and a half minute hallway.
Der Gang wird im Verlauf der Zeit länger und entgegen den Wünschen seiner Frau betritt ihn Navidson eines Nachts. Exploration A. Er verirrt sich beinahe in den Räumen und Gängen, die sich immer wieder verändern, schafft es aber wieder zurück ins Wohnzimmer.
So geht das weiter. Er holt seinen Bruder und schließlich professionelle Höhlenforscher hinzu, doch mehr und mehr entwickelt sich das ganze zum Horrortrip. Die Forscher entdecken in weiteren Explorationen gigantische Hallen und eine ebenso gigantische Wendeltreppe, die nach unten führt. Schließlich dreht der Leiter der Exploration durch, verletzt einen der anderen Forscher und erschießt schließlich den anderen und später sich selbst. Navidson startet eine Rettungsaktion, nachdem aus den Wänden SOS-Klopfgeräusche gekommen sind und neben der Kamera des Teamleiters kann er auch die Leiche des erschossenen und den verletzten Forscher bergen.
Danach geht alles ziemlich schnell, denn das Haus wird bösartig. Seine schwarzen Wände beschränken sich nicht nur auf abgegrenzte Bereiche, sondern nehmen alles in Besitz und töten Navidsons Bruder. Der Rest kann sich mit knapper Not retten und die Familie verlässt das Haus.
Aber Navidson ist davon besessen. Er lässt mitgebrachte Proben aus den Wänden untersuchen und es stellt sich heraus, dass die am Eingang 'nur' ein paar tausend Jahre alt sind, während die am Boden der Wendeltreppe älter sind als unsere Galaxie.
Er beschließt erneut in das Haus einzudringen. Und er findet tatsächlich etwas: Ein Fenster hinter dem nichts mehr ist. Nachdem seine Vorräte aufgebraucht sind, fällt er in dieses Nichts und das letzte, was seine Kamera aufzeichnet ist ein kleiner Flecken blaues Licht.

Nun wird das ganze nicht einfach so erzählt, sondern der aus dem Ton- und Bildmaterial zusammengeschnittene Film, der "Navidson Record" ist Gegenstand einer wissenschaftlichen Abhandlung, die ein blinder alter Mann Namens Zampano auf unzähligen Blättern und Karteikarten zusammenträgt. Dieses Konvolut aus Blättern wird von Johnny Truant, dem eigentlichen Erzähler editiert und herausgegeben. Man hat also im Ganzen fünf Ebenen:
1. die Geschichte der Navidsons
2. der Film der daraus gemacht wurde (The Navidson Record)
3. Zampanos Abhandlung über den Film
4. Truants Anmerkungen zu Zampanos Abhandlung. Sie machen mindestens die Hälfte des Textes aus.
5. Ein paar wenige Anmerkungen der Herausgeber

Durch diese Art der Friend of a Friend Story bekommt die Geschichte eine beklemmende Glaubwürdigkeit. Die Sprache lässt dem Leser dabei so viel Freiraum, dass er sich aussuchen kann, ob er das Ganze als literarischen Text, als Film oder einfach nur als Konstrukt in seinem Kopf wahrnehmen will.

Hinzu kommt die unorthodoxe Gestaltung. Da stehen Abschnitte auf dem Kopf, werden in Ecken gequetscht, ziehen sich über eine Doppelseite oder rasen - nur wenige Wörter pro Seite - über die Blätter. Manches ist gespiegelt und alles was mit dem Begriff "Haus" oder dem Mythos des Minotauren zu tun hat, ist in einer anderen Farbe gehalten.

Die meisten von Zampanos Fußnoten sind natürlich Blindgänger, genauso wie die Interviews mit Prominenten wie Stephen King oder Stanley Kubrick, aber wer prüft schon nach, wohin Fußnoten führen?

Ich bin noch nicht ganz durch mit dem Buch und auf den restlichen 200 Seiten kann noch eine Menge passieren, aber ich kann das Buch jetzt schon jedem ans Herz legen, der auf Horror, oder auch nur auf sehr sehr gute Literatur steht. Das Buch ist als "Das Haus" jetzt auch auf Deutsch erschienen, keine Ahnung ob die Übersetzung was taugt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Was ich so lese