Was bedeutet Dein Aussehen für Deine Persönlichkeit? Was hat Dein Beruf damit zu tun, ob Du gut oder schlecht bist?
Wie viele essentielle Fragen kann man innerhalb von einer Stunde beantworten?
"Das Interview" mit Andreas Sigrist und Stefanie von Poser in den Hauptrollen ist ein Stück aus einer Epoche, in der der Mensch länger lebt und weniger Zeit hat als je zuvor. Zwei hochspezialisierte Protagonisten der arbeitsteiligen Gesellschaft treffen aufeinander und versuchen so effizient zu sein, wie Menschen es eben sein können.
Auf der einen Seite ist da der Politik-Journalist, Veteran aus Bosnien und dem Krieg seiner eigenen Familiengeschichte, auf der anderen die Star-Schauspielerin, Projektionsfläche und Gestaltwandlerin par excellence.
Beide unterschätzen sich, fallen auf die Rolle ihres Gegenüber und die eigene Rolle herein. Und das gerade weil sie wissen, dass es nur eine Rolle ist.
In unserer heutigen Zeit gehört dazu auch, dass man persönlich wird. Ein Journalist braucht Profil, ein Politiker soll authentisch sein, eine Schauspielerin mit ihren Gefühlen arbeiten. Eine professionelle Distanz gibt es kaum noch.
Der Journalist und die Schauspielerin gehen sich deshalb beinahe von Anfang an an die Kehle, an die Titten und an die Eier. Sprechen frei heraus über verunglückte Kinder, Menschen, mit denen man fickt und die Leere im Kopf.
Sie versuchen sich auch beinahe von Anfang an an die Seele zu gehen. Den Journalisten packt nach anfänglichem Widerwillen der Ehrgeiz und er versucht das dunkle Geheimnis der Schauspielerin zu ergründen und sei es um den Preis sein eigenes dunkles Geheimnis zu offenbaren.
Und die Schauspielerin? Wandelt sich und ist nie ganz greifbar. Definiert sich höchstens über das, was sie nicht ist und was sie nicht will. Sie biegt sich im Ansturm des Journalisten wie der Bambus im Sturm und peitscht überraschend und vernichtend zurück, als er sich scheinbar triumphierend abwendet.
Auf dieser Ebene betrachtet ist das Stück deprimierend. Auf ein paar anderen Ebenen bin ich fasziniert. Wenn mein Gedächtnis besser wäre, hätte ich Stefanie von Poser gleich aus Schlusspunkt wiedererkannt. Auch das so eine Geschichte, in der sich zwei Menschen kunstgerecht zerfleischen und dem Zuschauer dabei so sehr die Fetzen um die Ohren fliegen, dass er nicht weiß, wer der Schuldige ist und ob es überhaupt einen Unschuldigen gibt.
Und was für ein Schauspiel! Eine Schauspielerin, die eine Frau spielt, die eine Schauspielerin spielt. Und wie sie spielt!
Ein Schauspieler, der in seiner Kurzinformation "Melken" als besondere Fertigkeit angibt.
Und wie er melkt!
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