Kurzfassung:
- Wochenendseminar "The writer's journey" von Christopher Vogler besucht
- Wissen über die Struktur von Geschichten aufgefrischt
- Erkenntnis: Ausnahmen sind nicht verkehrt, aber es ist gut die Regeln zu kennen
Ich bin der Typ mit der roten Mütze in der fünften Reihe, der gerade so nicht mehr zu sehen ist.
Langfassung:
"Die Welt braucht bessere Geschichten - eure Geschichten" ist das Fazit, des Wochenendseminars "The writer's journey" von Christopher Vogler.
Je düsterer die Zeiten (und die Zeiten sind ja bekanntlich immer düsterer als die Zeiten, die mal gewesen sind) desto größer die Sehnsucht nach einem Helden und moralischem Beistand. Und genau das können Geschichten leisten. Oder sie können einen so sehr in den Bann ziehen, dass man seine Sorgen erstmal vergisst.
Wie dem auch sei, Vogler hat ein einfaches System zusammengestellt, das alle Phasen enthält, die im typischen Weg eines Helden enthalten sind. Außerdem hat er die Archetypen zusammengetragen, die ihm auf diesem Weg begegnen können. Das ist alles nicht neu und für Erzählforscher ein alter Hut, aber Vogler hatte das Glück im Herzen der Traumfabrik Hollywood zu sitzen und unter anderem für Disney und Fox zu arbeiten.
So hat er Arbeiten von Propp, Campbell, Jung und anderen für die Filmindustrie verständlich und anwendbar gemacht. Und verdient ganz gut damit. Die Heldenreise umfasst bei ihm 12 Stationen:
1. Vorstellung der normalen Welt: Tatooine, Hobbingen, dein Kinderzimmer. Da wo der Held seine Zeit verbringt. Gleichzeitig wird der Held vorgestellt und vielleicht auch schon der Mangel, den der Held beheben muss. Also ein böser Herrscher irgendwo in der Ferne, ein moralisches Problem oder einfach nur die Langeweile des Helden.
2. Der Aufruf zum Abenteuer: Ein Ereignis oder eine Person, die dem Helden in den Hintern tritt und ihn hinaus in die Welt schickt.
3. Weigerung zu gehen: Der Held will nicht. Wir wissen alle, dass er doch gehen wird, aber um ihn uns ähnlicher zu machen ziert er sich erst mal. Würden wir ja auch so machen, oder?
4. Treffen mit dem Mentor: Irgendjemand muss dem Helden ja sagen wo es langgeht. Das kann ein Mensch sein, eine innere Stimme oder irgendwas anderes, das dem Helden etwas hilfreiches gibt.
5. Überschreiten der Schwelle: Der Held verlässt seine eigene Welt und betritt die Welt des Abenteuers. Oft wird diese Schwelle von einem Schwellenwächter beschützt.
6. Aufgaben, Helfer und Gegner: Der Held lernt die Regeln der neuen Welt kennen, findet Freunde und macht sich Feinde.
7. Annäherung: Nach der Kennenlernphase geht es los und der Held versucht das in Angriff zu nehmen weswegen er losgezogen ist.
8. Die Aufgabe: Punkt 8 ist in Voglers System die Mitte der Reise. Hier ist der Held am weitesten von seiner Heimat entfernt. Er stirbt oder ist dem Tode nahe, er scheint zu scheitern oder die Hoffnung zu verlieren, aber er schafft es dennoch weiterzumachen. Das ist auch die Stelle, die dem Zuschauer/Leser am meisten geben kann, denn das ist der Punkt, den wir am deutlichsten in unserem eigenen Leben wahrnehmen.
9. Die Belohnung: Der Held hat überlebt und bekommt jetzt was dafür. Und wenn es nur die Erkenntnis ist, dass es so ja wohl nicht weitergehen kann ...
10. Die Straße zurück: Egal ob bewusst oder unbewusst: der Held macht sich auf den Weg zurück nach Hause. Entweder er hat seine Aufgabe schon erfüllt, oder er hat herausgefunden, dass er gar nicht deswegen losgezogen ist. Vielleicht ist diese Straße auch nur eine innere Straße und der Held erinnert sich daran, wer er eigentlich ist, und dass er sich bisher etwas vorgemacht hat.
11. Die Auferstehung: Wieder wird der Held getestet. Diesmal aber auf eine umfassendere Weise. Das können 2 Monster sein, anstatt eines, es kann aber auch sein, dass sich der Held nicht mehr sicher ist, ob er überhaupt zurückkehren kann / darf.
12. Rückkehr mit dem Elixir: Der Held bringt etwas in seine Welt zurück, das die Macht hat sie zu verändern und wenn es nur seine Erfahrungen sind, die er gemacht hat.
Diese Reise kann sowohl äußerlich sein als auch im inneren des Helden stattfinden. Auch gemischt ist möglich. Und sie muss nicht diese Reihenfolge haben. Der Mentor kann schon zu Beginn oder auch ziemlich spät auftauchen oder gar nicht zu erkennen sein, Teile der Reise können wegfallen oder sich wiederholen. Wenn der Held z.B. die Aufgabe nicht meistern kann, ist es trotzdem eine Geschichte, aber eine Tragödie.
Genauso frei sind die Archetypen zu handhaben, die in der Geschichte auftauchen. Der Held kann je nach Blickwinkel ein anderer sein, die Schatten können die Ängste des Helden sein, der Mentor kann gleichzeitig der Bösewicht sein, der Herald kann ein Gegenstand sein, die Wächter der Schwelle nicht vorhanden sein, genauso wie die Gestaltwandler. Trickster können als Verbündete auftreten oder im Helden selbst angelegt sein und es gibt viele Figuren, die sich nicht klar zuordnen lassen. Wichtig ist bei allen Figuren nicht wie sie aussehen, sondern welche Funktion sie in der Geschichte haben. Deswegen ist es hier besonders einfach mit den Erwartungen der Leser zu spielen.
Man kann sich drüber streiten, ob man solche Modelle braucht oder ob es nicht bessere gibt, aber Voglers System funktioniert und kann helfen eine Geschichte weiterzuschreiben oder sie in die richtige Richtung zu lenken. Und weil dieses System beim Leser / Zuschauer im Hinterkopf steckt, kann man wunderbar damit herumspielen, um Erwartungen zu erfüllen oder zu brechen.
Mehr von Vogler gibt es auf seiner Homepage Storytech.
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