25.03.2009

Neun Jahre

Es ist ein seltsames Gefühl, sie nach neun Jahren zum ersten Mal wiederzusehen. Ein seltsames Gefühl, weil sich gar nicht so viel verändert hat. Was wahrscheinlich daran liegt, dass keine Woche und kaum ein Tag vergangen ist, in dem ich nicht zumindest einen halben Gedanken an sie verschwendet habe. Verschwendet? Na, vielleicht ist das das falsche Wort, aber anders kann man diesen unproduktiven selbstreferentiellen Automatismus eigentlich nicht bezeichnen. Und ich habe Glück, dass meine Vorstellung von ihr nicht so arg weit von der Realität entfernt lag.

Neun Jahre also. Sie haben ihr etwas von der Länge ihrer Haare genommen und etwas von ihrer Substanz, wie mir scheint. Es waren bestimmt keine einfachen Jahre. Über mehr will ich mir kein Urteil erlauben, aber ich denke, ansonsten ist alles beim Alten geblieben.

Ich bin schon lange nicht mehr in sie verliebt, aber immer noch fasziniert - so wie ein Streichholz von der Reibung fasziniert ist, die es entzündet.

Sie befindet sich in meiner Nähe und es passiert etwas mit mir und meinen Gedanken. Einfach so. Man isst und ist satt, man schläft und ist erholt, ich unterhalte mich mit ihr und...

Ja und was?

... und ich kann nachvollziehen, wie es Felix Knecht ergangen ist. Nicht dass ich plötzlich den Drang verspürt hätte, eine Frau zu werden, aber ganz ich selbst war ich auch nicht mehr. Oder etwa doch? Die Echos dieses Gefühls haben noch lange nachgehallt und ich habe vergebens versucht sie in Worte zu fassen.
Es gelingt mir jetzt erst. Zögerlich.

Es ist manchmal nicht einfach, den Sinn im Leben zu sehen. Vielleicht gibt es ein paar Glückliche, die ihre Berufung früh finden und ihr ein Leben lang treu bleiben können, aber für Menschen wie mich und dich (aus welchem anderen Grund würdest du das sonst lesen?) ist die Suche der bestimmende Teil unseres Lebens. Und diese kostbaren Momente mit ihr, mit anderen Menschen oder manchmal auch nur mit mir selbst sind die Brotkrumen, die mich, wenn schon nicht zu dem führen was ich sein sollte, dann zumindest zu dem, was ich sein möchte.
Es ist kein roter Faden, denn da gibt es keinen kontinuierlichen Pfad. Es sind keine Puzzle-Teile, denn da lässt sich nichts zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Nein, es sind Brotkrumen, denn ich ernähre mich von ihnen.

Der Begriff der Muse ist ziemlich aus der Mode gekommen und wenn ich einer begegnen würde, dann wüsste ich wahrscheinlich ebensoviel mit ihr anzufangen, wie mit Keilschrift, aber der Ausdruck hat sich in meinem Kopf verbarrikadiert und weigert sich zu verhandeln.

Nein, eine Muse ist sie nicht, denn auch eine Muse muss man sich erst einmal verdienen, aber sie ist nahe dran, wahrscheinlich näher als ich daran, ein Schriftsteller zu sein...

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